Wohnungseigentum: Medienversorgung
2.4
Umsetzung der TKG-Novelle oder „Revolution unter den Fröschen?“
(ho)
Ab dem 1.7.2024 können jetzt noch abwälzbare Kosten zum Betrieb
der Gemeinschaftsantennenanlage sowie Kosten für gehaltene Breitbandanschlüsse
(§ 2 Nr. 15 BetrKV nicht mehr als Betriebskosten auf Mieter umgelegt
werden. Möglich ist dann nur noch eine Umlage der reinen Stromkosten
für diese Anlagen, ferner im Falle gehaltener Gemeinschaftsantennenanlagen
die Umlage der Prüfkosten für die Betriebsbereitschaft und die
Einstellung (Wartung) durch eine Fachkraft. Ist die Empfangsanlagen nach
dem 1.12.2021 installiert worden, so entfällt jede Umlagemöglichkeit
ab dem 1.7.2024 für diese Anlagen. Sonderregelungen gelten für
Glasfaseranschlüsse, wenn sie nach dem 1.12.2021 hergestellt worden
sind (dazu unten mehr).
Mieter können sich ebenfalls einseitig aus bestehenden Mehrnutzungsverträgen
des Vermieters lösen, in denen der Signalversorger - auch preislich
- vorgegeben ist (Opt-out-Recht). Die Konsequenz:
Vermieter stehen dann für die anfallenden Kosten selbst ein, wenn
sie nicht auch bestehende Mehrnutzungsverträge zur Signalversorgung
kündigen. Dafür gelten vorrangig einzelvertragliche Bestimmungen,
nachrangig § 230 Absatz 5 TKG. So will es die Novelle des Telekommunikationsgesetzes
vom 23.6.2021 (BGBl. I Nr. 35/2021, S. 1858 ff).
Was bedeutet das für Wohnungseigentümergemeinschaften?
Typischerweise finden sich hier selbstnutzende Eigentümer neben
Vermietungslagen. Deshalb muss möglichst frühzeitig Gewissheit
geschaffen werden, wie die Gemeinschaft ab dem genannten Stichtag mit
Empfangssignalen zukünftig versorgt werden soll.
Gerade im Falle einer Gemeinschaftsantennenanlage oder eines Breitbandkabelanschlusses,
an den sämtliche Wohnungen angebunden sind, werden bestehende Sammelinkassos
eingestellt. Sowohl selbstnutzende Eigentümer als auch Mieter können
bisherige Versorgungsverträge zum 1. Juli 2024 kündigen (beachte
für Mieter zusätzlich § 230 Abs. 4 TKG).
Gerade bei Gemeinschaftsanlagen stellt sich die Regelung des zukünftigen
Signalempfangs als Aufgabe der gemeinschaftlichen Verwaltung dar, für
die die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuständig ist (§
18 Abs. 1 WEG); dies erst recht, wenn dazu noch ein einheitlicher Mehrnutzungsvertrag
zur Signalversorgung besteht. Die Gemeinschaft verwaltet durch Beschluss,
soweit keine themenbezogenen Vereinbarungen bereits existieren (§
19 Abs. 1 WEG). Diese Beschlüsse sind durch den Verwalter mehrstufig
vorzubereiten (§ 27 Abs. 1 WEG). Dazu hat er zunächst über
die technischen Möglichkeiten einer Signalversorgung insgesamt zu
informieren, damit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch
Beschluss im Rahmen ihres Ermessens auswählen kann.
Welche technischen Möglichkeiten der Signalversorgung sind denkbar?
Natürlich kommt es auch in Betracht, vorhandene Technik weiter vorzuhalten,
wenn man die eingangs skizzierten Kostenfolgen akzeptiert. In Vermietungsfällen
kann es sich dann anbieten, Signalempfangskosten über die Miete einzupreisen.
Alternativen zeigen sich im linearen Fernseh- und Rundfunkempfang über
eine terrestrische Antenne (DVB-T2), über Satellit (DVB-S2), über
Kabel (DVB-C2) oder via Internet (IPTV).
Für den Signalempfang über Internet benötigt man entweder
eine Box oder einen Stick, jeweils verbunden mit dem Fernsehgerät.
Die Geräte werden vom eigenen Internetprovider oder von anderen Anbietern
zur Verfügung gestellt. Der Fernseher kann auch bereits eine App
zum Signalempfang vorinstalliert haben oder technisch eine Installation
zulassen.
Per App ist es auch möglich, sich den Fernsehempfang auf das eigene
Tablet oder das Smartphone zu holen. Schließlich ist Life-TV über
den Browser des eigenen Computers (Laptop oder Stand-Alone-Rechner) zu
empfangen, ganz abgesehen von bereit gestellten Mediatheken und Pay-TV
Kanälen. Natürlich ist in allen Formen eine stabile und leistungsfähige
Internetverbindung mit entsprechend hoher Datenübertragungsfrequenz
vorausgesetzt. In „guten Gegenden“ wird sich das selbst über
WLAN oder Hotspot bewerkstelligen lassen, dennoch sollte man eine kabelgestützte
Internetversorgung (LAN-Anschluss) bevorzugen.
Welche Alternativen sind technisch möglich?
Eigentlich ist es schon klar: Was technisch möglich ist, wird durch
die vorhandene Haustechnik und den dadurch vordefinierten Aufwand einer
Aufrüstung oder eines Umbaus bestimmt, vor allem aber durch die Signalversorgung
im Quartier. So kann Internetfernsehen in ländlicheren Bereichen
mit geringerer Versorgungsqualität schwierig werden, auch ein terrestrisches
Arbeiten mit einer DVB-T2 Antenne. Ein passabler Empfang per Satellit
ist eigentlich Standort unabhängig, nicht aber unabhängig von
der Wetterlage. Und schließlich: Dass man bei einem auch „aufgepeppten“
Satelliten- oder Kabelempfang den geringsten Aufwand hat, versteht sich
von selbst. Denn man kann auf bereits vorhandene Technik zurückgreifen.
Einheitliche Verteilung mit Gemeinschaftstechnik und GEMA als Gefahr?
Die GEMA - Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische
Vervielfältigungsrechte - schreibt und verlangt eine saftige Vergütung
für die Weiterleitung von Rundfunk- und Fernsehempfangssignalen in
Gestalt von Musiknutzungen, beruft sich auf eine erfolgte vervielfältigte
öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Musik, überreicht
das Formular eines entsprechenden Lizenzvertrages, und erwartet dessen
Unterschrift bei Klagemeidung. Dabei wird die Abrechnung für zurückliegende
Zeiträume und für die Zukunft schnell einmal mehrere 1000 €
teuer; so auch versucht bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
Der BGH hat allerdings eine reine Wohnungseigentümergemeinschaft
nicht als GEMA-pflichtig angesehen, weil durch die Gemeinschaft der Kreis
der endgültigen Nutzer fest definiert ist und deshalb von einer öffentlichen
Weiterleitung durch die in der Anlage vorhandene Baumstruktur zur Signalverteilung
nicht ausgegangen werden kann. Findet aber keine öffentliche Weiterleitung
statt, ist keine Lizenzvergütung ausgelöst (BGH, Urteil vom
17.9.2015 - I ZR 228/14; juris - keine Pflicht zur Entrichtung einer Lizenzgebühr
für eine Wohnungseigentumsanlage unabhängig von einer Verteileranlage,
da es sich hier nicht um eine öffentliche Wiedergabe, sondern um
eine Weiterleitung von Sendesignalen an eine „private Gruppe“
handelt; ebenso: LG Berlin, Urteil vom 21. August 2018 – 15 O 355/17,
juris).
Vorsicht ist allerdings geboten, wenn sich in einer Wohnungseigentumsanlage
auch Ferienwohnungen befinden, deren wechselnde Gäste nicht als fester
Nutzerkreis definiert werden können. Der Aspekt einer gewerblichen
Gewinnerzielung kommt dann hinzu. Dies kann zur Lizenzpflicht gegenüber
der GEMA führen (BGH, Urteil vom 18.6.2020 - I ZR 171/19 - bejaht
für angebotene Radio- und Fernsehgeräte in Ferienwohnungen,
die über eine Verteileranlage mit Sendesignalen versorgt werden;
ebenso: OLG Braunschweig, Urteil vom 17. April 2019 – 2 U 56/18,
ZMR 2019, S. 704; BGH, Urteil vom 17.12.2015 - I ZR 21/14, juris - Lizenzvergütung
verneint für das bloße Bereitstellen von Fernsehgeräten
in Hotelzimmern ohne Anschluss an eine Verteileranlage und mit jeweils
eigenem terristrischem Antennenempfang).
Bleibt die Vermietung eines Sondereigentums als Ferienwohnung in der Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer unbekannt und ergeben sich deshalb irgendwann
GEMA-Probleme, haftet nur der vermietende Sondereigentümern, nicht
die Gemeinschaft (LG Berlin, Urteil vom 21. August 2018 – 15 O 355/17
–, juris; zur GEMA-Gebührenpflicht einer Zahnarztpraxis –
denkbar im Teileigentum – mit Musik im Wartezimmer: BGH, Urteil
vom 18. Juni 2015 – I ZR 14/14 –, juris - keine öffentliche
Wiedergabe in einer Zahnarztpraxis, da nur grundsätzlich eine stabile
Zusammensetzung von Personen potentiellen Zugang zu Hintergrundmusik hat,
die im Übrigen auch nicht zu Erwerbszwecken verwendet wird).
Fazit
Am besten ist es, wenn man den notwendigen Konsens als Voraussetzung
einer zukünftigen Regelung möglichst frühzeitig noch im
Jahre 2023 herbeiführt. Schon für die interne Klärung der
bisweilen komplexen Fragen und technischen Auswahlmöglichkeiten wird
Zeit benötigt: Einzel-, Mehrheits- oder Gesamtversorgung? Ermittlung
der höchst unterschiedlichen Interessen an der Qualität zukünftiger
technischer Versorgung? Herstellung eines Konsenses zwischen der Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer als Verband, einzelnen Mitgliedern und Mietern?
Zeitfaktor der Beschlussfassung und Beschlussumsetzung?
Darüber hinaus muss erwartet werden, dass sich kurz vor dem genannten
Stichtag der Umstellung zum 1.7.2024 ein erheblicher
Geschäftsanfall bei Signalversorgungs- und Verwaltungsunternehmen
zeigen wird.
© Dr. Hans Reinold Horst
News/Presse
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